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Rationale Blasen und Devisenkrisen: Eine Markov-Switching-Analyse des informellen Wechselkurses im Iran

Analyse spekulativer Blasen im informellen USD/IRR-Markt des Iran mithilfe eines Markov-Switching-Modells mit zeitvariablen Übergangswahrscheinlichkeiten zur Identifizierung explosiver, ruhiger und kollabierender Regime.
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1. Einleitung & Überblick

Diese Forschung untersucht das Vorhandensein und die Dynamik rationaler spekulativer Blasen im informellen Devisenmarkt des Iran (USD/IRR) von 2010 bis 2018. Das Kernproblem ist die anhaltende Abweichung des Wechselkurses von seinem Fundamentalwert, getrieben durch spekulative Attacken und Herdenverhalten, die bei Untätigkeit der Entscheidungsträger zu ausgewachsenen Währungskrisen führen können. Das primäre Ziel der Studie ist die Entwicklung eines robusten Frühwarnsystems, das in der Lage ist, Blasenregime in Echtzeit zu identifizieren und so effektivere Zentralbankinterventionen zu ermöglichen.

Die Autoren argumentieren, dass traditionelle Wechselkursmodelle (z.B. Meese & Rogoff, 1983) kurzfristige Volatilität nicht erklären können, was Modelle erfordert, die Marktpsychologie und Regimewechsel einbeziehen. Sie verwenden ein fortgeschrittenes Markov-Switching-Autoregressionsmodell mit drei distinkten Zuständen (Explosiv, Ruhig, Kollabierend) und zeitvariablen Übergangswahrscheinlichkeiten (TVTP), die von Fundamentalfaktoren wie Devisenreserven und Sanktionsintensität abhängen. Dieser Ansatz ermöglicht es dem Modell, nicht nur Blasen zu identifizieren, sondern auch die Wahrscheinlichkeit eines Übergangs in einen Krisenzustand vorherzusagen.

Untersuchungszeitraum

2010 - 2018

Wichtige Modellzustände

3 Regime (Explosiv, Ruhig, Kollabierend)

Kerninnovation

TVTP Markov-Switching

2. Theoretischer Rahmen & Literaturübersicht

2.1 Rationale Blasen in der Vermögenspreisbildung

Das Konzept einer rationalen Blase besagt, dass sich Vermögenspreise systematisch von ihrem Fundamentalwert entfernen können, wenn Händler erwarten, das überbewertete Asset in Zukunft an einen „größeren Narren“ verkaufen zu können. Im Devisenkontext manifestiert sich dies als sich selbst erfüllende Prophezeiung, bei der Erwartungen einer Abwertung die spekulative Nachfrage befeuern und den Kurs weiter in die Höhe treiben. Die Blase besteht fort, solange die erwartete Wachstumsrate der Blasenkomponente dem Diskontsatz entspricht.

2.2 Das Disconnect-Puzzle & Behavioral Finance

Das gut dokumentierte „Wechselkurs-Disconnect-Puzzle“ bezieht sich auf die schwache kurzfristige Beziehung zwischen Wechselkursen und makroökonomischen Fundamentalfaktoren. Diese Studie stimmt mit der Literatur zur Behavioral Finance überein und legt nahe, dass Emotionen wie Angst und Gier, verstärkt durch Herdenverhalten, kurzfristig die Marktbewegungen dominieren und Abweichungen erzeugen können, die fundamentale Modelle nicht erklären können.

2.3 Markov-Switching-Modelle in der Ökonomie

Begründet von Hamilton (1989) ermöglichen Markov-Switching-Modelle, dass sich die Parameter eines Zeitreihenprozesses gemäß einer unbeobachteten Zustandsvariablen ändern, die einer Markov-Kette folgt. Dies ist besonders geeignet für Finanzmärkte, die abrupten Wechseln zwischen ruhigen und turbulenten Phasen unterliegen. Die Erweiterung auf zeitvariable Übergangswahrscheinlichkeiten (TVTP), wie hier verwendet, erlaubt es, dass die Wahrscheinlichkeit eines Zustandswechsels von beobachteten ökonomischen Bedingungen abhängt, was eine zusätzliche Ebene der Vorhersagekraft hinzufügt.

3. Methodik & Modellspezifikation

3.1 Daten & Variablen

Die Analyse verwendet monatliche Daten für den informellen (Schwarzmarkt-) USD/IRR-Kurs. Der TVTP-Mechanismus bezieht zwei wichtige Frühwarnindikatoren ein: 1) Sanktionsintensitätsindex: Ein Proxy für externe Schocks, die aufgestaute Nachfrage nach Devisen erzeugen. 2) Veränderungen der Devisenreserven: Zeigt die Fähigkeit der Zentralbank an, die Währung zu verteidigen.

3.2 Das Drei-Regime-Markov-Switching-Modell

Die Renditeserie des informellen Wechselkurses ($r_t$) wird modelliert als:

$r_t = \mu_{S_t} + \phi r_{t-1} + \epsilon_t, \quad \epsilon_t \sim N(0, \sigma_{S_t}^2)$

wobei $S_t \in \{1,2,3\}$ den latenten Zustand zum Zeitpunkt $t$ bezeichnet, entsprechend den Regimen Ruhig ($\mu$ niedrig, $\sigma$ niedrig), Explosiv ($\mu$ hoch, $\sigma$ hoch) und Kollabierend ($\mu$ negativ, $\sigma$ hoch).

3.3 Zeitvariable Übergangswahrscheinlichkeiten

Die Innovation liegt darin, die Übergangswahrscheinlichkeitsmatrix $P_t$ zeitabhängig zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, vom Zustand $i$ in den Zustand $j$ zu wechseln, wird als logistische Funktion der Warnindikatoren ($z_t$) modelliert:

$p_{ij,t} = \frac{\exp(\alpha_{ij} + \beta_{ij} z_t)}{1 + \sum_{k\neq i} \exp(\alpha_{ik} + \beta_{ik} z_t)}$

Dies ermöglicht es, dass Fundamentalfaktoren das Risiko, in einen Blasen- oder Krisenzustand einzutreten, direkt beeinflussen.

4. Empirische Ergebnisse & Analyse

4.1 Regimeidentifikation & Blasenperioden

Das Modell identifiziert erfolgreich mehrere explosive Blasenperioden im informellen Devisenmarkt des Iran, die eng mit bekannten Perioden wirtschaftlicher Belastung und Sanktionsverschärfung übereinstimmen:

  • Explosive Regime: Präzise datiert auf Perioden wie 2011/07, 2012/04, 2012/10-11 und insbesondere 2017/01-06. Die Episode 2017 korrespondiert mit erneuten geopolitischen Spannungen und der Erwartung von Sanktionen.
  • Kollabierende Regime: Folgen tendenziell auf explosive Perioden und zeigen eine Abklingphase nach dem Höhepunkt der Blase an.
  • Ruhige Regime: Fallen mit Perioden milder, trendfolgender Aufwertung und relativer Marktstabilität zusammen.

Diagrammbeschreibung: Ein Plot der geglätteten Wahrscheinlichkeiten würde die Wahrscheinlichkeit, sich im explosiven Zustand zu befinden (y-Achse), über die Zeit (x-Achse) zeigen. Spitzenwerte nahe 1,0 würden die oben aufgeführten Blasenepisoden klar markieren und die Regime-Klassifikationskraft des Modells visuell demonstrieren.

4.2 Performance von Frühwarnindikatoren

Der Sanktionsindex erwies sich als signifikanter Treiber für Übergänge in den explosiven Zustand ($\beta_{ij}$ positiv und signifikant). Schwindende Devisenreserven erhöhten die Wahrscheinlichkeit eines Übergangs von einem explosiven zu einem kollabierenden Zustand, was einen Verlust der Verteidigungsfähigkeit signalisiert.

4.3 Analyse der Zentralbankinterventionen

Das Modell legt nahe, dass Zentralbankinterventionen, die darauf abzielten, den Marktdruck zu reduzieren, oft unzureichend waren, um Blasen zu verhindern oder zu platzen, sobald das explosive Regime Fuß gefasst hatte. Dies unterstreicht die Macht sich selbst erfüllender Erwartungen.

5. Technische Details & Mathematischer Rahmen

Die Kernschätzung erfolgt mittels Maximum-Likelihood-Schätzung (MLE) unter Verwendung eines Expectation-Maximization (EM)-Algorithmus oder Bayesianischer MCMC-Methoden, die für latente Variablenmodelle Standard sind. Die Likelihood-Funktion integriert über alle möglichen Zustandspfade:

$L(\Theta | r) = \sum_{S_1}...\sum_{S_T} \prod_{t=1}^{T} f(r_t | S_t, \Theta) \cdot Pr(S_t | S_{t-1}, z_t, \Theta)$

wobei $\Theta$ alle Parameter umfasst ($\mu_{S_t}, \phi, \sigma_{S_t}, \alpha_{ij}, \beta_{ij}$). Für die Modellauswahl wurden wahrscheinlich Kriterien wie das Bayesianische Informationskriterium (BIC) verwendet, um die Drei-Zustands-TVTP-Spezifikation gegenüber einfacheren Alternativen zu rechtfertigen.

6. Analytischer Rahmen: Eine praktische Fallstudie

Szenario: Ein Analyst bei der Zentralbank des Iran Anfang 2017.

Eingaben: Das aus historischen Daten (2010-2016) geschätzte TVTP-Markov-Switching-Modell. Echtzeitdaten: Ein starker monatlicher Anstieg des Sanktionsindex aufgrund neuer gesetzgeberischer Drohungen, gekoppelt mit einem stetigen Abfluss der Devisenreserven.

Anwendung des Rahmens:

  1. Zustandsfilterung: Unter Verwendung der Filtergleichungen des Modells wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass sich der Markt aktuell im ruhigen Zustand befindet ($Pr(S_t = 1 | r_{1:t}, z_{1:t})$). Angenommen, diese Wahrscheinlichkeit fällt von 0,8 auf 0,4.
  2. Berechnung des Übergangsrisikos: Der aktuelle hohe Sanktionsindex ($z_t$) wird in die TVTP-Logistikfunktion eingesetzt. Das Modell liefert eine hohe Wahrscheinlichkeit $p_{13,t}$ (z.B. 0,3) für einen direkten Wechsel von Ruhig zu Explosiv, verglichen mit einem Basiswert von 0,05.
  3. Politiksimulation: Der Analyst kann nun simulieren: „Wenn wir X Milliarden an Reserven injizieren, wie beeinflusst das $p_{13,t}$ und $p_{23,t}$ (Explosiv zu Kollabierend)?“ Das Modell liefert quantitative, probabilistische Antworten.
  4. Ausgabe: Eine Dashboard-Warnung: „HOHES RISIKO des Eintritts in ein spekulatives Blasenregime innerhalb von 1-2 Monaten. Empfohlene Maßnahme: Starke Verpflichtung zur Währungsverteidigung signalisieren und Liquiditätsspritzmechanismus vorbereiten.“
Dies verwandelt das Modell von einer akademischen Übung in ein Echtzeit-Risikomanagement-Tool.

7. Zukünftige Anwendungen & Forschungsrichtungen

  • Kryptowährungsmärkte: Anwendung des TVTP-Markov-Switching-Rahmens zur Identifizierung von Blasen in Bitcoin oder anderen Krypto-Assets, unter Verwendung von On-Chain-Metriken (z.B. Netzwerk-Hashrate, aktive Adressen) als Übergangstreiber.
  • Integration mit KI/ML: Verwendung der modellidentifizierten Blasenperioden als gelabelte Daten, um überwachte Machine-Learning-Modelle (z.B. Random Forests, LSTMs) auf einem breiteren Satz von Hochfrequenzindikatoren (Nachrichtenstimmung, Order Flow) für eine noch frühere Erkennung zu trainieren.
  • Formulierung von Politikregeln: Einbettung des Modells in einen stochastischen Optimalsteuerungsrahmen, um formale, optimale Zentralbankinterventionsregeln abzuleiten, die eine Verlustfunktion über Inflation, Reserven und Wechselkursvolatilität minimieren.
  • Ländervergleichende Analyse: Anwendung derselben Methodik auf einen Panel von Schwellenländern mit gemanagten Wechselkursen (z.B. Türkei, Argentinien), um gemeinsame Vorläufer von Devisenstress zu identifizieren und die Verallgemeinerbarkeit von Indikatoren wie der Sanktionsintensität zu testen.

8. Kernaussage für Analysten: Eine vierstufige Dekonstruktion

Kernaussage: Diese Arbeit vermittelt eine entscheidende, aber oft ignorierte Wahrheit: In gemanagten Devisenregimen unter externer Belagerung (wie im Iran) geht es bei Wechselkursen weniger um Kaufkraftparität und mehr um Psychologie des Regimeüberlebens. Die Autoren rahmen die „Blase“ brillant nicht als Preisbildungsfehler um, sondern als einen messbaren Zustand kollektiver Marktpanik, ausgelöst durch politische Fundamentalfaktoren (Sanktionen) und aufrechterhalten durch die rationale Erwartung weiterer Abwertung. Ihr wesentlicher Beitrag ist die Operationalisierung dieser Erkenntnis in ein TVTP-Markov-Switching-Modell, das die Wahrscheinlichkeit von Panik quantifiziert.

Logischer Ablauf: Das Argument ist elegant und lückenlos: (1) Standardmodelle versagen für den Iran → (2) Daher müssen Blasen und Regime einbezogen werden → (3) Aber statische Regimemodelle sind rückwärtsgewandt → (4) Lösung: Die Wahrscheinlichkeit eines Regimewechsels von Echtzeit-, politikrelevanten Fundamentalfaktoren (Sanktionen, Reserven) abhängig machen. Dies erzeugt eine Rückkopplungsschleife, in der sich verschlechternde Fundamentalfaktoren nicht nur das Preisniveau beeinflussen, sondern das Risiko eines nichtlinearen Marktzusammenbruchs exponentiell erhöhen. Es ist ein überlegenes Warnsystem, weil es die latente „Stimmung“ des Marktes modelliert, nicht nur seine vergangenen Bewegungen.

Stärken & Schwächen:
Stärken: Die methodische Raffinesse ist erstklassig. Die Verwendung von TVTP ist eine bedeutende Verbesserung gegenüber einfachen Markov-Switching-Modellen und perfekt für die Krisenvorhersage geeignet. Die Wahl der Sanktionen als Treiber ist kontextuell brillant und empirisch validiert. Die Übereinstimmung der identifizierten explosiven Perioden mit realen Krisen (z.B. 2017) bietet starke Augenscheinvalidität.
Schwächen: Der Erfolg des Modells ist auch seine Begrenzung – es ist exquisit auf die spezifische Pathologie der sanktionierten, ölabhängigen, dualen Wechselkursökonomie des Iran kalibriert. Die Verallgemeinerbarkeit auf andere Kontexte ist ohne größere Neuausrichtung der Indikatoren fraglich. Darüber hinaus ist das Modell letztlich ein ausgeklügeltes deskriptives und prädiktives Werkzeug; es bleibt die Vorgabe der optimalen Skala und des Zeitpunkts der Intervention schuldig. Wie bei allen Regimewechselmodellen besteht die Gefahr der Überanpassung an historische Regime, die sich möglicherweise nicht wiederholen.

Umsetzbare Erkenntnisse:

  1. Für Entscheidungsträger (CBI): Dieses Modell sollte live laufen. Die Dashboard-Ausgabe (Wahrscheinlichkeiten für explosive/kollabierende Regime) muss eine primäre Eingabe für die Entscheidungen des geldpolitischen Ausschusses sein. Es spricht für präventive, signalbasierte Interventionen, wenn die Übergangsrisiken steigen, anstatt für reaktives Krisenmanagement, nachdem die Blase entzündet ist.
  2. Für Investoren & Risikomanager: Das „ruhige“ Regime nicht als sichere Basis, sondern als fragilen Zustand mit einer zeitvariablen Ausbruchswahrscheinlichkeit behandeln. Absichern oder Exposure reduzieren nicht, wenn sich der Kurs bewegt, sondern wenn das Übergangsrisiko des Modells sprunghaft ansteigt, selbst wenn der Kassakurs ruhig ist.
  3. Für Forscher: Die Vorlage hier – TVTP-Markov-Switching mit politisch-ökonomischen Treibern – ist exportierbar. Auf Länder anwenden, die ähnlichen „Sudden Stop“- oder geopolitischen Risiken ausgesetzt sind. Der nächste Schritt ist die Integration mit Markt-Mikrostrukturdaten, um zu sehen, ob Order-Flow-Muster die Regimewechsel auslösen, bevor die Fundamentalfaktoren es tun.
Zusammenfassend ist dies nicht nur eine weitere ökonometrische Arbeit. Es ist ein erprobter Bauplan zum Verständnis und zur Antizipation von Finanzkrisen in politisch fragilen Märkten. Sein wirklicher Wert liegt darin, die Erzählung von warum Blasen entstehen zu wann sie am wahrscheinlichsten detonieren zu verschieben – eine weit nützlichere Frage für diejenigen an der Front.

9. Literaturverzeichnis

  1. Hamilton, J. D. (1989). A new approach to the economic analysis of nonstationary time series and the business cycle. Econometrica, 57(2), 357-384.
  2. Meese, R. A., & Rogoff, K. (1983). Empirical exchange rate models of the seventies: Do they fit out of sample? Journal of International Economics, 14(1-2), 3-24.
  3. Filardo, A. J. (1994). Business-cycle phases and their transitional dynamics. Journal of Business & Economic Statistics, 12(3), 299-308. (Grundlagenwerk zu TVTP-Modellen).
  4. Blanchard, O. J. (1979). Speculative bubbles, crashes and rational expectations. Economics Letters, 3(4), 387-389.
  5. Internationaler Währungsfonds. (2019). Annual Report on Exchange Arrangements and Exchange Restrictions (AREAER). Washington, DC: IWF. (Für Kontext zum Wechselkurssystem des Iran).
  6. Gourinchas, P. O., & Obstfeld, M. (2012). Stories of the twentieth century for the twenty-first. American Economic Journal: Macroeconomics, 4(1), 226-65. (Zu Krisenvorläufern).